Andreas Züsts Lieblingsblumen sind die Pilze. Diese kleinen weichen, feuchten Bäumchen sind seine Freunde im Walde, die er besucht, kontrolliert, betrachtet und manchmal isst. Unsichtbar unter dem Boden breiten sie ein Geflecht aus, das sie miteinander verbindet und sie alle zusammenhält. Andreas hat auch so ein Geflecht, ein weit verzweigtes, vom Spiegelberg bis hinunter in die Stadt, und von dort bis weit in den Norden. Oft am Abend, wenn es dämmert, sieht man ihn nach Hause gehen. Dort empfangen ihn Besucher. Die Besucher festen und warten. Sie sind aus der Stadt. Es sind solche, die nicht schlafen können oder wollen.

Steht man nämlich in der Stadt nachts nackt oder halbnackt vor dem Bett, ist das Einschlafen nur noch ein Umfallen, ein Zusammenbrechen. Die Gespräche sind vorbei, die Bars sind zu, das Taxi bezahlt, das Programm zu Ende, alle anderen sind gegangen, nichts geht mehr. Das Bett befiehlt und bleibt Sieger über Vernunft und feste Ansichten; eingebildet überhört man das Lachen des Bettes über den jammervollen Umstand, dass da wieder einer ins Dunkel steigt und mitzunehmen gedenkt, was er an Persönlichkeit und Charakter mitgeschoben hat den ganzen Tag. Es ist auch ein Sieg der seltsamen Kraft des Ortes, der Geomantie über die Freiheit. Das Irren durch die Stadt und den Tag findet hier sein Ende; säuberlich und freiwillig legt man sich parallel zur Wand, weil man hofft, was die rechtwinkligen Koordinaten des Hauses verheissen: dass irgendetwas in Ordnung ist.

Auf dem Lande ist es anders. Man kann schlafen, wann und wo man will. Im Wirtshaus, im Gras, bei den Kartoffeln. Am Abend kommt langsam die Dunkelheit, und lange herrscht die Dämmerung. Gut ist, wenn man nie ganz wach war, so wird der Übergang nicht allzu hart. In Ruhe wird man Zeuge vom allmählichen Verschwinden der Gegenstände und der Menschen. Was man anschaut, wird müde, der Tisch, der Lampenschein, der Hund schläft eh den ganzen Tag. Furchtlos kann man alles lassen, wie es ist, weil es mitkommt, hinüber in die gegenstandslose Welt des Schlafes. Zuversichtlich kann man so festen und feiern bis tief in die Nacht. Bis einer einnickt am Tisch, einer schlummert neben dem Hund, andere geben auf, sie müssen nach Hause. Es ist ruhig geworden auf dem Spiegelberg, nur in der Dunkelkammer brennt noch Licht. Andreas ist am Arbeiten. Es war ein guter Tag heute. Olivia hat ihm geholfen, auf Teufel komm raus. Weitere Teile seines Geflechts werden sichtbar: was vorbeikommt über die Jahre, wie es sich zeigt, wo es ihn hinzieht, wer dort mit ihm verbunden ist und wie es dort ausschaut. Bald sind die Untersuchungen abgeschlossen und werden mit Sicherheit weitergeführt.

David Weiss